Eröffnung der neanderland BIENNALE 2023

Phänomenaler Auftakt der Neanderland Biennale mit Bürgerdinner in Heiligenhaus

Mit weißen Hussen überzogene Biertischgarnituren samt Blumenschmuck und LD-Beleuchtung für die Stimmung zeigten an: Hier, vor dem 100-jährigern Geburtstag feiernden Rathaus, wird die 11. Neanderland Biennale stilecht eröffnet. Reden gab es von Landrat Thomas Hendele und dem Hausherrn, Bürgermeister Michael Beck, bevor als „Vorgruppe“ die Lokalmatadore Erna Blue und Begleitung auftraten. Der gewählte Begriff zielt allerdings zu kurz, waren die gefühlvolle Stimme und die Gitarren-Begleitung doch Bossa Nova, Swing und Cha Cha-Klänge die perfekte Untermalung zum Dinieren. Dazu hatten die Besuchenden keine Mühen gescheut, reisten mit „Hakenporsche“ und großen Transportkisten an, aus denen draus hervorgeholte Sektkühler, Kerzenständer und alle Köstlichkeiten die Biertische auf deren Standfestigkeit prüfen ließen. Das Tafeln hinderte nicht, bei den Bossa-Nova und anderen Klängen mitzusummen und zu wippen. Doch nun zum Hauptakt des Abends:

Anti-Depressionstherapie mit Pasquale Aleardi und die Phonauten

Wenn „das Pferd Paco, die Böse Mary und der Spike“ im „Galopp zum Glück“; angekündigt von einer Stimme aus dem Off; zu Westernklängen die Bühne betreten, sich überschwänglich umarmen und begrüßen – dann ist auch dem letzten klar, es wird überbordend, verrückt und einfach unvergleichlich mitreißend – musikalisch wie schauspielerisch.

Mit der gegenseitigen Vorstellung wird klar, wie die (Bühnen-) Charaktere verteilt sind: Die „böse Mary“ (Marc Leymann, Akk.Git., Querflöte, Sax.) ist missgünstig, bösartig in ihren Kommentaren und von Neid zerfressen. Spike (Jörg Hamers, Voc., E-Git.) als gutmütiger, feinfühliger, tiefsinniger Hund, sorgt für den Ausgleich, gibt aber eigentlich den Sound vor. Und natürlich: Paco (Pasquale Aleardi, Voc. NASENFLÖTE sowie Melodica) sieht halt von der Seite aus wie ein Pferd, könne man nichts machen laut den Bandkollegen. Zum Schluss gibt er ein bezauberndes Liebeslied von sich und seiner angebeteten Stute zum Besten.

Zwei Sessions brachten das Publikum zu Standing Ovation, zum Mitsingen und Klatschen – Paco hatte sie vollkommen im Griff.

Irmi wird von Paco und dem Publikum gefeiert

Große Themen wie Schönheitswahn, der Tod und (Über-) Digitalisierung wurden witzig verpackt in Wort und Körpersprache des Trios. Allen voran Paco, der wild gestikulierend klarmachte, wie ihn alles anficht. Auf die Frage, wer denn noch ausschließlich analog unterwegs sei, meldete sich direkt vorn an der Bühne „Irmi“, die weder Handy noch Rechner nutzt. Sie erhielt nicht nur den folgenden Song gewidmet, darüber was passiert, wenn Sänger und Mitstreiter „die Schnauze voll haben vom digitalen Wahn“. Ihrer Beliebtheit, immer wieder sprach das Trio sie an, tat es auch keinen Abbruch, als sich die 81-Jährige weigerte, die Vokal- und Konsonantenfolgen, die Paco sie, vor ihr kniend vorgab, weigerte mitzusingen. Das brachte ihr kurzerhand noch den Beinamen „Frau Nein“ ein. Als es um das Thema Urlaub ging, wurde ihr letzter Urlaubsort, einfach in dem Lied dazu verpackt: Veen in den Niederlanden.

Für große Begeisterung beim Publikum sorgte die von Paco mit so viel Raffinesse gespielte Nasenflöte. Neue Exemplare zum Herstellpreis von 46 Cent laut Leymann wurde als Beigabe mit einer Postkarte zur Doppel-CD, die sich nach dem Konzert so gut verkaufte, dass ein zusätzlicher Karton aus dem Auto eines Crew-Mitglieds geholt werden musste, mitverkauft. Eine verschenkte der aus als Schauspieler bekannte und zum Neid der beiden Bandkollegen gefeierte Schauspieler an den Tisch, der bei Weitem am hörbarsten mitging während der beiden Gigs. Die Dame, die sie ergatterte, erhielt nach dem Konzert eine Übungseinheit von Paco himself. Sie bekam, trotz oder gerade wegen des zugebenen Weingenusses tatsächlich ersten Töne heraus: „Durch die Nasenlöcher Luft hineinpusten und durch das Mundstück die Töne hinauslassen“, so der Tipp von Pasquale Aleardi, den sie zudem für einen Franzosen gehalten hat. „Dann nehme ich es Ihnen auch nicht mehr übel, dass sie Schweizer sind,“ so deren Begleiter.

Als kurz nach 22h – der Ruhe der Anwohner wegen – die letzte Zugabe verklungen war, sah man an allen Tischen – auch dort, wo die politische Prominenz, Kreistagsmitglieder und Bürgermeister:innen der anderen Kreisstädten saß – ausnahmslos strahlende Gesichter. Gut gelaunte Zuhörer gingen beschwingt nach Hause, sicherlich den einen oder anderen Ohrwurm summend und sich an den einen oder anderen lockeren Spruch erinnernd, den sich die drei genialen und extrem gut aufgelegten Musiker um die Ohren gehaut hatten. Und das noch gewürzt mit exzellenter Beherrschung ihrer Instrumente und ebensolchen Stimmen.