MAUERRISSE von Teatro Due Mondi

„Schön“ war es nicht. Ergreifend war es.

Das mit einem munteren Bild im Programmheft der neanderland BIENNALE angekündigte Straßentheaterstück „MAUERRISSE“ von dem Teatro Due Mondi ging unter die Haut. Bereits 2011 als partizipatorisches Theaterprojekt für Flüchtlinge und italienische Bürger*innen entwickelt, hat die Inszenierung an Aktualität bis heute leider nicht verloren.

Ich bin der Schatten, der durch die Nacht flieht.

Eigentlich sollte das Stück unter freiem Himmel auf dem Dr.-Ellen-Wiederhold-Platz in Hilden aufgeführt werden und somit auch Passanten zum spontanen Zuschauen anregen. Doch das Wetter spielte nicht mit und Dank des Hildener Kulturamtes und des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums wurde das Stück kurzfristig in die Schulaula verlegt. Immerhin: Gut 40 Zuschauer nahmen auf beiden Seiten der rechteckigen Spielfläche Platz.

Ich bin der namenlose Sklave, der dreimal verkauft und gekauft wurde.

Das Ensemble war eigens für die Aufführung in Hilden aus Faenza, Norditalien, angereist. Im Gepäck: Sechs fahrbare „Mauer“stücke, die als Barrieren, Grenzen, das glatte Meer, aber auch als Klangkörper dienten.

Ich bin die Reisende im Zug, die im letzten Moment in die Freiheit reist.

Mit dem inbrünstigen Vortrag des Liedes für eine solidarische Welt, mit Strophen in deutscher und italienischer Sprache, startet die Aufführung. „Um die Welt zu verbessern, brauchen wir Leidenschaft, Mut und Geduld.“

Mit Leidenschaft, Mut und Geduld führte das sechsköpfige Ensemble durch die ausdrucksstarken Bilder und Szenarien.

Ich bin die Barfußlaufende, die durch die Wüste geht.

Da wird die kichernde Queen im weißen Kostüm auf ihrem Thron sitzend auf die Bühne zum Teetrinken aus feinem Porzellan geschoben. Der Umriss Großbritanniens liegt aus Tauen geformt auf dem Boden. Das Land, welches Geflüchtete auf eine Insel im Mittelatlantik verbannen will, verteidigt seine Grenzen, macht uns alle nass indem Wasser aus Eimern ins Publikum gegossen wird.

Ich bin die, die sich im Kofferraum versteckt hat.

Da versucht eine Geflüchtete die Grenze zu passieren und versteht die abweisenden Grenzbeamten nicht. Verzweifelt hält sie ihren Pass hoch. Ihr Gesicht zeigt die absolute Hilflosigkeit.

Ich bin die Tauchende, die durch einen Schnorchel atmet.

Da klettern die Außenstehenden in Weihnachtsmannkostümen an unserer Fassade empor. Ein gutes Bild für unseren in Kitsch und Überfluss mündenden Wohlstand.

Ich bin der Mann, der nicht schwimmen kann, und über Bord gegangen ist.

Die Szenen sind mit einfachen Mitteln allgemeinverständlich: Die Gewinner, die westlichen Nationen, der Wohlstand, WIR, werden in weißer Kleidung gespielt. Die Verlierer, die Geflüchteten in Armut, werden in dunkler Kleidung dargestellt.

Die Zuschauer*innen werden hineingezogen in das Geschehen, in das Grauen, in den Überlebenskampf, die Ausgrenzung, die Ignoranz und die Parallelwelten. Keiner kann die offensichtlichen Ungerechtigkeiten übersehen. Und keiner kann sich dem Spiegel, der uns weiterfeiernden Gesellschaft vorgehalten wird, entziehen.

Nach diesem berührenden Szenario fordert das Ensemble abschließend zum Tanz auf und das Publikum hat diese Einladung dankbar angenommen.

Ich bin ein Mensch, der endlich einen Namen hat – ein freier Mensch.

Standing Ovation. Verdient!