Vom Duell zum Duett – „Am Zug“ vom Theater am Schlachthof in Neuss

Der rote Faden des Theaterstücks „Am Zug“ waren die drei Phasen der Neophobie – der Angst vor Veränderung: Leugnen, Wut und Neuausrichtung.

An einem Bahnhof stranden der vielbeschäftigte Herr Müller und ein junger Klimaaktivist. Herr Müller ist auf dem Weg zu einem wichtigen Termin, doch der junge Aktivist, der fließend „Fernverkehr“ spricht, offenbart ihm, dass sie gemeinsam festsitzen. Dann fällt auch noch das Handynetz aus. So von der Außenwelt abgeschnitten beginnt der amüsante Schlagabtausch der Beiden.

Zuerst scheint es nur Konfliktlinien zu geben. Der ewige Kampf zwischen Realismus und Idealismus. Doch dann offenbaren sich Stück für Stück die Gemeinsamkeiten der beiden Charaktere.

Diese Reise wird musikalisch von Klassikern der Umwelt – und Friedensbewegung untermalt und begleitet. Anfangs singen die Protagonisten noch getrennt. Solostücke, die gelegentlich ergänzt werden. „Über den Wolken muss die Freiheit“ – laut Herr Müller – „wohl grenzenlos sein.“ Nach dem Aktivisten kann sie das aber nicht sein.

Unter Herr Müllers starker Opposition tritt immer seine Wut über die aktuellen Ereignisse hervor. Er gibt sich sogar als ehemaliges Mitglied der Grünen zu erkennen und stimmt gemeinsam mit dem Aktivisten die Internationale an. „Das waren noch Zeiten!“ klingt es dafür aus dem Publikum.

Immer zerzauster wirkt der Geschäftsmann, der Krawatte und Anzugjacke auszieht – dazu schmettert er „Just like a rolling stone“ von Bob Dylan.

Die Annäherung der Beiden findet ihren Höhepunkt, als Herr Müller erkennt, dass der junge Aktivist der Bewerber für die Stelle ist, die er besetzen soll. Der musikalische Ausklang war ein Duett des Songs „Teach your children“ von Crosby, Stills, Nash & Young.

Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zum Gleis, in das der Zug einfahren soll. Schwer beladen vergisst der Aktivist sein Protestbanner – Herr Müller nimmt es für ihn mit.

Nach einer Zugabe, „Bed’s are burning“, in die nach kurzem Zögern beinahe das ganze Publikum mit einstieg, verabschiedeten die beiden Schauspieler sich.

Sie ließen nachdenkliche Zuschauende zurück – den ganzen Panoramaweg entlang hörte ich auf meinem Heimweg angeregte Diskussionen.