Vorher/Nachher - Die Verwandlung der Welt

Die „ Verwandlung“ von Kafka wurde am Sonntag, den 5.9.2021 um 19.00 Uhr in Langenfeld im Parkhaus „Sass am Markt“ vom Stuttgarter Ensemble „Lockstoff!“ aufgeführt.
Mal wieder überraschte die Neanderland Biennale mit einem wirklich großartigen Schauspiel.
Nicht nur die ausgefallene Idee die Schauspieler in übergroßen Laufbällen spielen zu lassen, die jeden Darsteller in seiner ihm eigenen Welt zeigte, faszinierte das Publikum sehr. Auch den sich zum Käfer mutierenden Georg Samsa, Sohn und Versorger der Familie behängt mit Stofftieren, aus denen einzig Hände und Füße herausschauten war eine ausgefallene Darstellungsidee. Die Figur wurde mit
spektakulär verlangsamten Bewegungen, welche die zunehmende Hilflosigkeit und die Verwandlung des Georg Samsas in ein Insekt ausdrückten, von einem für das Publikum unsichtbar bleibenden Schauspieler dargeboten. Eine wirklich kunstvolle Körperperformance in Zeitlupe! Nur mit dem Herausstrecken von Händen und Füßen, Roll- und Aufrichtbewegungen wurde der sich verwandelnde Georg Samsa mit einem so tollen Ausdruck gespielt, dass der Blick immer wieder fasziniert an dem „Stofftierinsekt“ hängen blieb.
Als Pendant zum Käfer stellte ein junger Schauspieler den Georg Samsa als Mensch in eben einer dieser spektakulären Laufbälle dar und spiegelte parallel zur Stofftiergestalt sein Schicksal und den Stellenwert in der Familie und seine Art und Weise damit umzugehen. So musste er es ertragen von Seiten der Schwester, die er doch nur unterstützen wollte, zunehmend vernachlässigt zu werden und die Verachtung, aber auch Brutalität seines Vaters hinzunehmen, der gleichzeitig mit Georg Samsas Verfall immer vitaler wurde und sich um den Sohn, nachdem er ihn verletzt hatte, nicht mehr kümmerte. Auch die Mutter konnte sich nicht überwinden ihrem Sohn zu helfen, er ekelte sie in seiner Verwandlung zum Käfer an und sie wandte sich von ihm ab.
Jede Schauspielerin und jeder Schauspieler hatte einen eigenen Laufball und verdeutlichte so, dass die Familienmitglieder wenig miteinander zu tun hatten, ein jeder mit eigenen Problemen behaftet war, das Zusammenleben kaum möglich war. Die Familienmitglieder lebten von der finanziellen Unterstützung Georgs und wurden als eigenständige Personen immer lethargischer. So arbeitete der Vater nicht mehr und verfiel gesundheitlich immer mehr, er übernahm erst mit Georgs Verwandlung und seinem Tod wieder Verantwortung und wurde wieder zum Versorger der Familie. Die Schwester hing ihren Träumen nach Künstlerin zu werden, ekelte sich zunehmend vor Georg und überließ ihm seinem Schicksal, auch die Mutter wurde erst mit Georg Samsas zunehmendem Verfall wieder reger und übernahm Näharbeiten.
Ein tragisches Stück, exzellent dargeboten durch die Schauspielkunst jedes einzelnen Schauspielers des Lockstoff!-Ensembles. Das Werk Kafkas wurde mit intensiver Spielenergie wirklich beeindruckend umgesetzt! Es passte sehr gut in die nüchterne Szenerie des Spielortes auf dem Parkdeck des Parkhauses Sass am Markt.
Das Publikum wurde freundlich begrüßt, mit Plätzen am Spielgeschehen und Kopfhörern versorgt über die das Stück eindringlich und mit bester Klangqualität verfolgt werden konnte.
Ein „Dankeschön“ an das Lockstoff!- Ensemble, sie haben großartig gespielt und das in diesen außergewöhnlichen Laufbällen, die immer wieder mit Sauerstoff aufgetankt werden mussten, wirklich ungewöhnlich und beeindruckend.